Oliver Stiemerling: „Vorgehensmodelle und IT-Projektmanagement “, Beck‘sches „Münchener Anwaltshandbuch IT-Recht & Technologierecht“, 4. Auflage, 2020
IT-Projekte zur Entwicklung, Anpassung und Einführung von Software in Organisationen sind aus vielerlei Gründen äußerst anspruchsvolle Unterfangen, die zumeist wenig mit Bauprojekten und anderen, eher handwerklichen und normengeprägten Aufgabenstellungen zu tun haben, die das heutige Vertragsrecht über Jahrhunderte geprägt haben.
Mit der Ersteinführung oder auch nur der Veränderung einer bereits eingeführten Software werden typischerweise auch die bisherigen Abläufe in einer Organisation dahingehend geändert, dass eine bestimmte Arbeitsteilung zwischen Mensch und Computer festgelegt wird. Deren Erarbeitung ist keine stringente Anwendung von feststehenden Regeln oder Normen, sondern eher eine gestalterische, kreative Aufgabe, deren (subjektiver) Erfolg naturgemäß kaum justiziabel fixiert und garantiert werden kann.Viele IT-Projekte gleichen insbesondere in frühen Phasen eher Forschungsprojekten, in denen Hypothesen über die aufgabenangemessene Gestaltung einer organisationsspezifischen Digitalisierung entwickelt, getestet und oft auch wieder verworfen werden. Das klassische „Wasserfallmodell“ mit einer klaren Phasentrennung von Anforderungsanalyse, Spezifikation, Entwicklung, Test und Inbetriebnahme ist für solche IT-Projekte eher nachteilig, so dass die Informatik in den letzten Jahrzehnten eine Vielzahl von alternativen Vorgehensmodellen und IT-Projektmanagementrahmenwerken entwickelt hat, die die notwendige Flexibilität in Projektzielsetzung und -ablauf durch eine Aufhebung der strengen Phasentrennung und intensive, kontinuierliche Interaktion mit dem Anforderer unterstützen. Diese Methoden werden heute allgemein unter dem Label „Agil“ zusammenfasst.
Die passende vertragliche Abbildung eines IT-Projektes mit einer agilen Vorgehensweise in einem Auftraggeber-Auftragnehmer-Verhältnis stellt eine große Herausforderung dar, da viele der bekannten vertragsrechtlichen Instrumente und Institute in direkter Konkurrenz zu der durch agile Vorgehensmodelle postulierten Form der engen und vertrauensvollen Zusammenarbeit im Projekt stehen.
Auf der anderen Seite gibt es aber auch Typen von IT-Projekten, deren Charakteristika keine agile Vorgehensweise erfordern bzw. für die eine Agilität sogar schädlich sein kann. Aus diesem Grund ist es für eine angemessene rechtliche Bewertung und vertragliche Abbildung essentiell, vor der Entscheidung für ein Vorgehensmodell zunächst die relevanten Eigenschaften eines IT-Projekts zu erkennen.
Das vollständige Kapitel befindet im oben genannten Buch.